Die Schmusedecke

Ein persönlicher Erlebnisbericht

Es mag ein wenig befremdlich klingen, dass ein Fünfzigjähriger über seine Schmusedecke berichtet. Nachdem dieser Artikel aber bei der Besprechung zur BASIS-Zeitung allgemeine Anerkennung fand, veröffentliche ich ihn auch auf meiner Website.

Seit ich meine neue Wohnung bezogen hatte und mein Bett aufgestellt war, pflege ich beim zu Bett gehen ein etwas ungewöhnliches Ritual, das mir seitdem Kraft und innere Ausgeglichenheit beschert. Ich kuschle ganz bewusst für mindestens zehn Minuten mit meinem Bett, genauer gesagt mit meiner Matratze. Ich personifiziere mein Bett nicht etwa, sondern sehe in ihm genau das, was es ist, nämlich ein Bett; aber es ist mein Bett. Jedem, der dies für Kinderkram hält, sei empfohlen, so etwas einmal selbst auszuprobieren. Schon nach kurzer Zeit wird sich im Bett ein unglaublich wohltuendes Gefühl von Geborgenheit und Urvertrauen eingestellt haben.

Als ich kürzlich wieder einmal im Bett kuschelnd auf den Schlaf gewartet hatte, habe ich mir überlegt, dass ich mir eine Schmusedecke zulegen sollte und genau das habe ich vor einer Woche getan. Es ist eine hellblaue, 210 mal 160 Zentimeter große Mikrofaser-Plüschdecke, die sich wie Watte anfühlt, also genau das Richtige zum Kuscheln. Gestern habe ich im Bett mit meiner neuen Decke gekuschelt und da ist etwas ganz Besonderes geschehen: Mittendrin hatte ich für einen kurzen Moment einen längst vergessenen Geruch in der Nase, der mich an mein Kuscheltier aus meiner frühen Kindheit erinnerte. Und plötzlich hatte ich wieder alles glasklar vor Augen:

Als ich drei Jahre alt war, schenkte mir meine Mutter ein kleines Kuscheltier, einen Hund, der mit seinem mit Schaumstoff gefüllten Körper aus kaffeebraunem Veloursstoff und Schlappohren aus Plüsch einem Cockerspaniel recht ähnlich sah und etwa 20 Zentimeter hoch war. Ich hatte ihn "Dino" genannt und er begleitete mich auf Schritt und Tritt, bis ich etwa acht Jahre alt war. Es gab nichts auf dieser Welt, was ich mehr geliebt hatte als meinen kleinen Dino. Inzwischen war er am Hals bereits mehrmals beinahe auseinander gefallen, weil sich die Naht auflöste. Meine Mutter hatte ihn immer wieder geflickt und er sah wegen der vielen verschiedenen Garne schon ziemlich komisch aus. Gelegentlich verlor er auch mal eine Schaumstoffflocke, doch das tat der Liebe keinen Abbruch.

Eines Tages, ich war etwas über fünf, hatte ich irgendetwas ausgefressen und meine Mutter war ziemlich verärgert. Heute weiß ich, dass es weniger der Ärger über meine Ungezogenheit war, als eine generelle Unzufriedenheit; sie brauchte einfach nur irgendein Ventil, um Dampf abzulassen. Sie nahm meinen Dino und riss ihm vor meinen Augen den Kopf ab. Für mich brach eine Welt zusammen und ich heulte wie ein Schlosshund.

Aber ein paar Tage später kam die große Versöhnung: Meine Mutter hatte sich die Mühe gemacht und ein zwei Zentimeter breites, dunkelbraunes Band um den Hals genäht, das Kopf und Körper unzertrennbar miteinander verband, mein Dino war wieder wie neu und würde nie wieder den Kopf verlieren. Erst Jahre später habe ich mich von meinem Kuschelhund abgenabelt und ihn schließlich ganz abgelegt.

So habe ich durch meine neue Decke die wertvollste aller Kindheitserinnerungen wieder gefunden und bin darüber unsagbar dankbar.

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Artikel erstellt im Juli 2012
redigiert und ergänzt im Juli 2014 ©2012-2014 by Gerald E. Gerosch