Geld und Freundschaft

Dies ist eine wahre Geschichte. Ich hoffe, dass ich hier meine Enttäuschung und Verbitterung über diese Angelegenheit zum Ausdruck bringen kann und der Adressat auch einmal Einblick in meine Gedankenwelt erhält.

Seit etwa zwanzig Jahren habe ich einen Freund, – zum Schutz seiner Identität nenne ich ihn hier Hans – der mir wirklich viel bedeutet (hat). Ich halte große Stücke auf ihn, denn er ist ausgesprochen vielseitig gebildet und deshalb für jedes Thema offen, hat einen scharfen, überaus analytischen Verstand, der zusammen mit seiner reichhaltigen Sprache und einem markanten Mutterwitz immer wieder für unterhaltsame Stunden und herzliches Lachen mit Aha-Effekt sorgt. Er ist ein großartiger Erzähler, denn seine Geschichten haben Tiefgang, sind ausgesprochen unterhaltsam, intellektuell anspruchsvoll und mit bisweilen gut versteckten, ironischen Pointen garniert. Er behält dabei aber immer den »roten Faden« im Blick und hat die seltene Gabe, mit Worten ein leuchtend buntes und klares Bild von einer Begebenheit zu malen. Es ist eine wahre Freude, wenn er einen Schwank aus seiner Jugend zum Besten gibt, weil man viel lachen kann und nicht nur deshalb verbringe ich gerne Zeit mit ihm.

Ich hingegen bin zwar ein sehr guter Zuhörer – zumindest habe ich das immer wieder von allen möglichen Leuten zu hören bekommen – aber ein denkbar schlechter Redner. Meine rhetorische Entwicklung wurde durch viel zu frühen Cannabiskonsum in meiner Jugend gestört, was sich z.B. darin äußert, dass es für mich oft schwierig ist, ein passendes Wort oder eine treffende Formulierung für einen einfachen Begriff zu finden, obwohl ich einen eher umfangreichen Wortschatz zu haben glaube. Ich vergreife mich deshalb oft im Ton und stoße gelegentlich meine Gesprächspartner unabsichtlich vor den Kopf, obwohl ich eigentlich etwas ganz anderes sagen will. Ich bin in meiner Denkweise beinahe zwanghaft objektiv und betrachte gerne mehrere Blickwinkel, bevor ich etwas sage. Weil ich ein eher langsamer Denker bin und Zeit brauche, um die richtigen Worte zu finden, liegt meine Stärke im Schreiben. Außerdem finde ich es frustrierend, wenn mir beim Ausformulieren eines Gedankens jemand ins Wort fällt.

Leider komme ich aus den erwähnten Gründen bei Hans nicht so recht zu Wort, wenn es um ein heikles Thema geht und deshalb fällt es mir auch nicht leicht, die Schulden anzusprechen, die unsere im Grunde sehr wertvolle Freundschaft mit einen bitteren Beigeschmack belasten, denn das birgt die Gefahr, Hans zu verletzen – und das ist nicht meine Absicht.

Hier ist also meine Geschichte:

Vor etwa zehn Jahren habe ich noch ganz passabel verdient. Ich hatte ein paar Tausender auf der hohen Kante und konnte es mir leisten, ein- bis zweimal pro Woche beim Griechen oder dem Italiener an der Ecke für 20-40 Euro essen zu gehen. Etwa zu dieser Zeit fragte mich Hans, ob ich ihm Geld leihen könnte; es ginge um 300 Euro, weil sein Auftraggeber nicht rechtzeitig bezahlt habe. Weil ich ihm vertraute und auch weil er mir schon vor etwa fünfzehn Jahren (es ging damals um etwa 800 Euro) dieses Vertrauen bewiesen hatte, gab ich ihm das Geld. Er pumpte mich noch öfter an und so summierten sich im Lauf von ein paar Monaten rund 1.100 Euro. – Das war vor neun Jahren.

Inzwischen ist Hans arbeitsunfähig und Hartz-IV-Empfänger. Er lebt in einer Kleinstadt etwa eine Autostunde nördlich von München und bessert seine Stütze mit dem Ausfahren von Pizza auf.

Seit ich ihn kenne, hatte Hans immer Pech mit seinen Autos. Immer wieder hatte er für ein paar hundert Euro eine alte Rostlaube mit ein paar Monaten TÜV erstanden, weil er unbedingt einen fahrbaren Untersatz gebraucht hatte. Und weil die Karren so billig waren, haben sie nichts getaugt und waren schon nach ein paar Wochen oder spätestens Monaten wieder unbrauchbar geworden. Also musste wieder ein anderes Auto her – natürlich wieder billig. Hin und wieder hatte er dann mal ein echtes Schätzchen erwischt, das viele Monate oder sogar Jahre Fahrspaß verhieß – und dann ist ihm irgend ein Depp rein gefahren und es war wieder kaputt.

Auch sonst war Hans nicht gut vom Glück bestrahlt. Mit seiner Gesundheit ist es rapide bergab gegangen und er musste auch sonst viele Rückschläge einstecken. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Geschichten ich gehört habe über Probleme mit Behörden, Geschäfte, die er am Laufen hatte und die sich auf mysteriöse Weise in einen Klogriff verwandelt hatten oder über Freunde, die ihn enttäuscht hatten.

Seit dieser Zeit hat sich auch bei mir viel geändert. Ich war selbst mehrere Jahre lang arbeitslos und lebe in München von Hartz-IV und weil ich wegen der flächendeckenden öffentlichen Verkehrsmittel nie ein Auto gebraucht habe, besitze ich auch keinen Führerschein. Ich habe im Verlauf der Jahrzehnte gelernt, recht gut mit Geld umzugehen. Ich kaufe sparsam ein und koche fast jeden Tag mein Essen selbst, weil das billiger und gesünder ist und noch dazu besser schmeckt. Ich bin Raucher und brauche dafür im Monat etwa 60 Euro. Für Strom und Internet zahle ich etwa 75.
Trotzdem schaffe ich es, ohne zusätzliches Einkommen so über die Runden zu kommen, dass am Ende des Monats noch etwa ein Fünfziger übrig bleibt, der in meine Spardose wandert. So habe ich immer ein paar Hunderter flüssig, wenn ich eine Anschaffung tätigen will oder für einen Notfall. So ist es ja auch im Sozialgesetzbuch vorgesehen.
Ich leide also keine finanzielle Not, bin aber trotzdem nicht reich und würde ich mich auch über etwas mehr Geld sehr freuen. – Wer könnte es mir verdenken?

In meinem Freundeskreis bin ich bekannt dafür, dass ich mich mit Computern ziemlich gut auskenne und wenn es irgendwo ein Problem gibt, fragt man mich um Rat. Für mich ist es immer wieder eine interessante Herausforderung, den Ursprung dieser Probleme zu erkunden und sie zu beseitigen und das macht mir auch Spaß. Und weil ich es für einen Freund mache, helfe ich immer wieder gerne und ohne etwas dafür zu verlangen. Auch Hans fragte mich immer wieder mal nach Lösungen für seine Computerprobleme. Seit ich ihn kenne, habe ich bestimmt schon fünfzig Mal Windows bei ihm installiert, weil er mit seinen Computern ebenso viel Glück hat wie mit seinen Autos... Oft kann ich ihm aber auch schon am Telefon eine brauchbare Lösung anbieten. Hans surft übrigens viel und gerne im Internet und stöbert auch oft bei Ebay herum. Gelegentlich kauft er dann irgend einen Mist, den zwar kein Mensch braucht, der aber so cool ist, dass er ihn unbedingt haben muss – also her mit dem Teil. Und so gibt er im Monat bestimmt an die hundert Euro für Dinge aus, die er gar nicht wirklich braucht.

Und trotz meiner für ihn angeblich so wichtigen Freundschaft hat es Hans in neun Jahren nicht fertig gebracht, mir wenigstens einen Teil seiner Schulden zurück zu zahlen.
Ein Mal – ich hatte selbst gerade einen finanziellen Engpass – habe ich ihn regelrecht angebettelt, mir etwas Geld zu geben und tatsächlich konnte er mir zwanzig Euro geben. Er hat mir damit sehr geholfen. Mehr als das habe ich von meinen 1.100 Euro nicht mehr gesehen. Dabei wäre es sicher im Bereich des Machbaren gewesen, »einfach mal so« einen Zwanziger zu zahlen, statt sich irgendeinen nutzlosen Kram zu kaufen – ich hätte mich auch über kleine Beträge gefreut. Wenn ich jeden Monat nur fünfundzwanzig Euro bekommen hätte, wäre Hans schon längst schuldenfrei. Statt dessen bin ich nur vertröstet worden.

Manchmal erscheint es eben schwierig zu erkennen, dass der stete Tropfen sogar den Stein höhlt und jeder Weg, sei er noch so weit, mit einem einzigen Schritt beginnt.

Nun bin ich also an einem Punkt angelangt, an welchem ich beginne, mir ernsthaft die Frage vorzulegen, wie weit es tatsächlich mit dem Wert meiner Freundschaft zu Hans her ist und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass ich von Hans wohl kaum noch mehr zu erwarten habe, als für ihn als PC-Troubleshooter herhalten und mir seine irrwitzigen Geschichten über seine finanziellen Unfälle anhören zu müssen. Und darauf habe ich nun keine Lust mehr. – Wer könnte es mir verdenken?

Hans war natürlich bei Weitem nicht der einzige, der mich in dieser Weise enttäuscht hat. Schon einige einst gute Freunde brachen den Kontakt zu mir ab, weil sie sich ihrer Schulden schämten und andere vertrösten mich immer aufs Neue, zahlen aber ebenfalls keinen Cent zurück. Wenn ich alle Außenstände von meinen »guten Freunden« auf einmal zurück bekommen würde, dann würde ich den Führerschein machen und mir ein cooles Auto kaufen, damit ich jederzeit meinen wirklich besten Freund in Niederbayern besuchen kann.

Wie wahr ist doch das Sprichwort: Beim Geld hört die Freundschaft auf!

So habe ich für ein paar Tausend Euro gelernt, dass es nur Kummer und Enttäuschungen mit sich bringt, wenn man Geld verleiht – auch an Freunde.

Ich gelobe, nie wieder diesen Fehler zu machen. *Weil ich »zu gut für diese Welt« bin, habe ich einem weiteren Freund, den ich seit über zwanzig Jahren kenne, Geld geliehen, weil er völlig mittellos auf der Straße stand. Bei ihm geht es nun wieder bergauf und er ist der Einzige, der mir tatsächlich jeden Monat einen Zwanziger zurück zahlt.
Ausnahmen bestätigen eben die Regel.

Trotzdem bin ich immer noch bereit, Hans eine Chance zu geben, denn schließlich ist er ein ganz enger Freund von mir und ich würde ihn niemals wegen so etwas in die Wüste schicken.


Nachtrag Juli 2013:

Vor ein paar Jahren habe ich erfahren, dass Hans sich unsterblich in eine Frau verliebt hatte. Die Frau hatte Krebs. Er wollte mit ihr zusammen ziehen und hatte seine Wohnung gekündigt. Dann ist sie verstorben. Eine Überraschung war es vielleicht – aber im Grunde genommen war damit zu rechnen. Er hatte seine Wohnung verloren und saß auf der Straße.
Also bitte – wie blöd muss man sein, seine eigene Wohnung aufzugeben, ohne vorher sicher zu stellen, dass die andere Wohnmöglichkeit unter Dach und Fach ist?
Und nach längerem Nachsinnen bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass Hans mir tatsächlich immer nur meine wertvolle Zeit gestohlen hat, mich mit Geschichten gelangweilt hat, die mich nicht wirklich interessiert haben und mich um mein Geld geprellt hat. Der Wert, den ich in Hans gesehen hatte, war eine Fata Morgana und ich bin glatt darauf herein gefallen. Nun bin ich jedoch geläutert und muss den obigen Schlusssatz revidieren:
Zwischen mir und Hans ist nun der Ofen aus, denn er hat sich als Fass ohne Boden erwiesen. Soll er doch Andere mit seinen Versager-Stories langweilen und denen die Zeit klauen. Ich bin engültig fertig mit ihm uns schicke ihn nun doch in die Wüste.

Helfe ihm wer will, aber ich nicht mehr!


Nachtrag Juli 2018:

Seit drei Jahren habe ich Arbeit bei einer gemeinnützigen Recyclingfirma und verdiente bis vor kurzem noch etwa 150 Euro dazu. Es ist ein wahrer Traumjob, denn die Arbeit besteht hauptsächlich darin, elektronische Kleingeräte auf ihre Funktionstüchtigkeit zu prüfen und für den Verkauf in unserem Shop vorzubereiten. Das Betriebsklima ist ausgesprochen familiär; Mobbing oder Konkurrenzkämpfe sind bei uns völlig unbekannt. Alle sind per »Du« – auch die Betriebsleitung. Ich habe dort gewissermaßen eine »Außenstelle von meinem Zuhause« gefunden. Weil ich wegen meines Fachwissens, meiner Zuverlässigkeit und guten Umgangsformen unentbehrlich geworden bin, bin ich bei dieser Firma seit ein paar Wochen angestellt, arbeite in Vollzeit und sehe – zumindest für die nächsten zwei Jahre – einer rosigen Zukunft entgegen. Aus den fünfzig Euro, die ich jeden Monat sparen kann sind nun etwa 200 geworden und so habe ich schon knapp 2000 auf der hohen Kante.

Von Hans habe ich seit fünf Jahren nichts mehr gehört und weil es mir inzwischen ganz gut geht, habe ich seine Schulden endgültig abgeschrieben. Soll er damit glücklich werden, dass er einen langjährigen Freund für einen guten Tausender verkauft hat.

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